4. Kapitel - Der Feldpostdienst während der Grenzbesetzung 1914-1918 |
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4.1. Seine Organisation
Der Kriegsausbruch von 1914 war kein Blitz aus
heiterem Himmel, Europa fieberte im Waffentaumel und liess sich fast bedenkenlos
in den Strudel hineinreissen.
Die Kriegsmobilmachung vom 3. August 1914 der
Schweizer Armee unter General Wille stellte den FP-Dienst vor seine bisher
schwerste Aufgabe, wofür er, wie sich bald zeigen sollte, trotz der neuen
FP-Verordnung bezüglich Organisation und Personal nicht genügend vorbereitet
war.
Sofort rückten ausser der FPD ein: die FP des Armeestabes, die Divisions-FP 1
bis 6, die FP der Festungsbesatzungen St. Gotthard und St-Maurice, eine
Etappenpostdirektion und acht Etappen-FP.
Bald erwies es sich als unumgänglich, einige zusätzliche Hilfs-FP einzurichten,
so dass am 18. August 1914 nicht weniger als 27 FP im
Dienst standen. Das Ganze stand unter der Leitung von FP-Direktor Major Karl
Oftinger (ab 1915 Oberstleutnant).
Die Etappen-FP hatten ursprünglich die Aufgabe, den Postdienst auf den
Etappenlinien sicherzustellen, während grosse Zivilpostämter als
Sammelpoststellen dienten. Da deren Personalbestand durch die Mobilisation
vieler Fachkräfte beraubt war, vermochten sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben
nur in ungenügender Weise zu erfüllen.
Der FP-Direktor zögerte nicht lange und verwandelte kurzerhand diese halbzivilen
Etappen-FP innerhalb weniger Monate in rein militärische Sammel-FP, die ihm
direkt unterstellt blieben. Damit verlor die Etappenpostdirektion ihre
Daseinsberechtigung und wurde deshalb auf Ende 1914 aufgelöst.
Diese Reorganisation erwies sich bald als erfolgreich. Die FPD übernahm nun
auch die Redaktion und Herausgabe der FP-Leithefte, eine Aufgabe, die
ursprünglich der OPD zugedacht war. Bis Ende 1918 kamen 28 Leithefte für den
Auszug und die Landwehr und 8 für den Landsturm
heraus.
Die Mutationen erhielten die FP täglich per Telegraf mitgeteilt und mussten von
diesen schriftlich bestätigt werden. Während der 52-monatigen Mobilmachung
wurden auf diese Weise ca. 27'000 Korrekturen der Leithefte vorgenommen.
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4.2. Die Postversorgung der Truppe
Schon in den ersten Tagen der Grenzbesetzung schwoll der
FP-Verkehr sehr stark an, und es kam zu Engpässen und Verspätungen, die bedingt
waren durch die Mobilisation vieler Fachkräfte bei der Zivilpost. Deshalb sah
man sich zu gewissen Einschränkungen gezwungen:
Das Höchstgewicht pro Paket wurde auf 2kg festgelegt.
Mit Ausnahme der Schuhsendungen und der Pakete für die Kommandostellen; zudem
untersagte man u.a. Sendungen mit Getränken und leicht verderblichen
Nahrungsmitteln wie frischen Früchten, ebenso Nachnahmen und telegrafische
Postanweisungen sowie aus Geheimhaltungsgründen von den Wehrmännern versandte
Postkarten mit Ortsansichten.
Am 20. August 1914 erging sogar ein Aufruf an die
Bevölkerung, die Zahl der FP-Sendungen vorläufig auf ein Minimum zu beschränken.
Von Anfang an erwies sich der Personalbestand der FP als ungenügend und
musste nach bereits drei Wochen von ca. 300 auf 750 Mann aufgestockt werden.
Dabei hielt man sich soweit möglich an das Prinzip der Professionalisierung und
liess patentierte und uniformierte Postbeamten von ihren bisherigen Einheiten
freistellen und in den FP-Dienst umteilen.
Die grosse Verkehrszunahme machte in den nachfolgenden Jahren weitere
Personalvermehrungen erforderlich, so dass Ende 1918 der Gesamtbestand auf
Bataillonsstärke anwuchs: 110 Offiziere, 120 Sekretäre (Uof) und 787 Packer und
ständige FP-Ordonnanzen (Uof, Gefreite und Soldaten), zusammen 1017 Mann.
In der Regel fand der Postaustausch zwischen den FP und den
Truppen-FP-Ordonnanzen täglich auf den Verpflegungsfassungsplätzen statt. Bei
stabilen Verhältnissen, d.h. ausser bei Manövern oder Dislokationen, erhielt die
Truppe pro Tag die Briefpost ein zweites Mal zugesandt, wobei hiefür soweit
nötig die Zivilpost in Anspruch genommen wurde. Die Zustellung bei der Truppe
erfolgte jeweils am gleichen Tag beim Hauptverlesen oder in der Unterkunft.
Ab 1915 besorgte der FP-Dienst auch den Postverkehr in den Kasernen, wo nun zu
diesem Zweck besondere Postlokale geschaffen wurden. Eine besondere Aufgabe
ergab sich durch die Postversorgung der
Militärsanitätsanstalten in Solothurn und Olten / Zofingen.
Zu diesem Zweck führten die FP Solothurn und Olten besondere Karteien, welche
bis Enden 1918 über 97'000 Karten mit mehr als 196'000 Mutationen enthielten.
Eine ausgesprochene soziale Funktion erfüllten die FP ferner mit der
Postbedienung der zahlreichen Soldatenstuben und -lesestuben, Soldatenhäuser
sowie den Kriegswäschereien, welche für unbemittelte oder familienlose
Wehrmänner geschaffen worden waren.
Die FP ermunterten die Truppenrechnungsführer (Quartiermeister, Fouriere) mit
Erfolg, für ihre Einheiten Postcheckrechnungen zu eröffnen und ihre Zahlungen
soweit möglich über diese zu vollziehen. Damit gelang es, den riskanten
Bargeldverkehr wesentlich zu senken. Bei der FPD gab
es ein zentrales Fundbüro, welches die unanbringlichen FP-Sendungen behandelte
und die nötigen Nachforschungen vornahm. Während der ganzen Mobilmachung blieben
5950 Pakete und Wäschesäcklein verschollen, d.h. rund eines auf 10'000.
Im Jahre 1917 vereinbarte die OPD mit dem EMD folgendes:
"Die Haftpflicht der Postverwaltung erstreckt sich im Rahmen des
Postverkehrsgesetzes auch auf die FP-Sendungen.
Für innerhalb des Militärbetriebes beschädigte oder verlorene Sendungen haftet
die Militärverwaltung der Postverwaltung gegenüber in gleicher Weise, wie diese
gegenüber den Geschädigten."
Im gleichen Jahr wurde den Divisions-FP erstmals je ein Motorlastwagen
zugeteilt, womit je drei Zweispännerfuhrwerke ersetzt werden konnten. Bis
Kriegsende löste man auch die übrigen Pferdefuhrwerke durch Motorcamions ab.
Generell benützten die FP alle geeigneten Mittel für ihre Transporte: Bahnen,
Radfahrer, Schlitten, Trägerkolonnen, Saumtiere und Skifahrer. Vom August 1914
bis 31. Oktober 1918 verzeichnete der FP-Dienst folgende Verkehrszahlen:
Bis Ende 1918 erhielten die Wehrmänner kostenlos von der Zivilpost rund 23 Mio
vorgedruckte FP-Karten. Die Gesamtsumme der via FP ein- und ausbezahlten
Postanweisungen erreichte den Betrag von ca. 128 Mio Franken.
Das Ansehen des FP-Dienstes bei der Truppe wuchs von Jahr zu Jahr.
Dem wurde ein Bundesratsbeschluss vom 1. August
1916 gerecht, welcher für die ständigen FP-Ordonnanzen- und Packer-Uof den
Wachtmeisterrang einführte. Damit fiel eine viel
kritisierte Ungleichheit dahin.
Die Kriegsmobilmachung von 1914 bis 1918 bedeutete für unseren FP-Dienst eine
harte Bewährungsprobe, die er dank rechtzeitig verbesserter Organisation und
laufender Anpassungen, vor allem aber dank des
Leistungswillen seines engagierten Personals mit Bravour bestand. General Wille
bezeugte dies in seinem Bericht über den Aktivdienst
an die Bundesversammlung wie folgt:
"Die Feldpost sah sich gleichzeitig zu Beginn der Mobilmachung vor eine grosse
Aufgabe gestellt, der sie sich in erfreulicher Weise gewachsen zeigte. Ein
besonders schwieriges Gebiet war der Postdienst für die Sanitätsanstalten und
Sanatorien. Das Feldpostpersonal verdient das Lob gewissenhafter und tadelloser
Pflichterfüllung, oft unter schwierigen Verhältnissen".
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4.3 Der Postdienst für ausländische
Kriegsgefangene und Internierte
Zu den Aufgaben des FP-Dienstes gehörte die Leitung des
Postdienstes für die zahlreichen in der Schweiz hospitalisierten, kranken oder
verschwundenen ausländischen Kriegsgefangenen von beiden verfeindeten Seiten.
Hinzu kamen ab 1916 immer mehr Internierte, zum grossen Teil entflohene
Kriegsgefangene
(Deutsche, Franzosen, Belgier, Briten), die aus Lagern in den Nachbarländern
entweichen konnten.
In grösseren Kurorten, wo die fremden Wehrmänner meist in leerstehenden Hotels
untergebracht waren, schuf man besondere Interniertenpoststellen. Darüber hinaus
waren über 200 zivile Poststellen bei der Postversorgung dieser in unserem Land
Schutz suchenden ehemaligen Frontsoldaten mitverantwortlich.
Viele Sendungen gelangten ohne Angabe eines Bestimmungsortes in die Schweiz,
weshalb die FPD beim
FP-Büro 23 in Bern eine zentrale Kartei führen musste, in welcher der Standort
jedes Mannes vermerkt wurde. Den Annahme- und Zustelldienst, der von den FP
organisiert und überwacht wurde, besorgten 550 bis 600
Internierten-Postordonnanzen.
Von 1916 bis 1919 wurden den Internierten über 15 Mio Briefe und Postkarten,
726'000 Pakete sowie 578'461 Postanweisungen im Gesamtbetrag von 15,4 Mio
Franken zugestellt; in der gleichen Zeit versandten sie ca. 8 Mio Sendungen an
ihre Angehörigen im Ausland. Es versteht sich, dass dieser Postverkehr aufgrund
des Weltpostvertrages portofrei abgewickelt wurde.
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4.4. Der Posttransit für Kriegsgefangene im
Ausland
In diesem Zusammenhang sei an eine sehr umfangreiche
humanitäre Leistung erinnert, welche während des
1. Weltkrieges im wesentlichen durch unsere Zivilpost erbracht wurde: die
Vermittlung der Post im Transit durch die Schweiz für die Kriegs-Gefangenen, die
zu Hunderttausenden in den jeweiligen Feindstaaten im Ausland
lebten. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit dem IKRK in Genf.
Schon 1914 ersuchten neun kriegsführende Mächte die OPD vorerst um die
Vermittlung von Postanweisungen an ihre Kriegsgefangenen im Feindesland, welchen
sich logischerweise bald auch die Brief- und Paketpost anschloss. Anfänglich
beschränkte sich diese Postvermittlung auf den Verkehr zwischen Deutschland,
Österreich-Ungarn und Frankreich.
Der Postanweisungsverkehr stand unter der Kontrolle der OPD und lag in den
Händen des Mandattransitbüros Basel. Bereits Ende 1914
benötigte er ca. 40 Arbeitskräfte. Das Postamt
Bern-Transit verarbeitete die Brief- und Paketpost; später musste hiefür als
Verstärkung eine Sammel-FP beigezogen werden. Anfänglich lief die Hauptmasse der
Pakete über das Transitpostamt Genf, welches täglich ganze Wagenladungen nach
Frankfurt a.M. abfertigte.
Ende 1915 verlegte man den Paketumlad zwischen französischen und deutschen
Bahnpostwagen nach Basel, für welche Arbeit schliesslich FP- und sogar
Militärpersonal abkommandiert werden musste.
Nach dem Kriegseintritt Italiens und Bulgariens (1915) nahm der Transit der
Kriegsgefangenenpost durch die Schweiz bald massiv zu.
Der zusätzliche Verkehr wickelte sich über die Auswechslungsämter Milano-Estero,
Chiasso, Domodossola, Buchs (SG) und Basel ab, wobei direkte Paketwagen über
Bahnstrecken via Gotthard und Lötschberg-Simplon geleitet wurden. Immer häufiger
setzte man zur Entlastung der Zivilpost FP- und Militärpersonal ein. Dieser
Transit durch unser Land für die Kriegsgefangenen im Ausland steigerte sich von
1914 bis 1918 von Jahr zu Jahr und erreichte folgende Zahlen:
Mit Einschluss des Nachkriegsjahres 1919 stieg die Gesamtzahl der über die
Schweiz geleiteten portofreien Postsendungen für die Kriegsgefangenen auf rund
715 Mio. Der daraus errechnete Taxausfall zulasten der Schweizer Zivilpost
erreichte die Summe von über 61 Mio Franken. Sechs Staaten vergüteten nach dem
Krieg auf Ersuchen der Schweiz einen kleinen Teil dieser Unkosten.
Während des Krieges waren in der Schweiz, ausser dem seit langem bestehenden
IKRK in Genf, eine Anzahl von humanitären Hilfsorganisationen zugunsten der
Kriegsgeschädigten aller Länder entstanden, wobei den meisten von ihnen die
Portofreiheit zugestanden wurde.
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Quellenangabe:
Festschrift: "100 Jahre Feldpost in der Schweiz 1889 - 1989" von Arthur Wyss ,
herausgegeben im Jahre 1989 im Auftrage der Generaldirektion PTT, Bern.
Wir danken herzlich dem Autor und der Herausgeberin
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Die Schweizerische Post,
Bern.